Interview mit Dr. Martina Kühne
Dr. Martina Kühne erforscht den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel und wagt im Interview einen Ausblick. Mehr lesen
Das Zürcher Künstlerkollektiv Projektil hat sich in den letzten Jahren mit eindrücklichen Lichtinstallationen einen Namen gemacht. Neben Grossproduktionen wie dem Illuminarium beim Zürcher Landesmuseum setzen sie auch immer wieder audiovisuelle Erlebnisse im kleineren Rahmen um.
Für Roman Beranek, Creative Director und Partner von Projektil, ist das Potential des Mediums Licht noch lange nicht ausgeschöpft. Dank Technologien wie 3D-Mapping und Real-Time-Animation eröffnen sich immer wieder neue Möglichkeiten, den Betrachter / die Betrachterin ins Geschehen mit einzubeziehen und so immersive Erlebnisse zu schaffen.
«Videomapping lässt sich in ganz vielen Bereichen zur Kommunikation, Unterhaltung oder Kunst anwenden», ist Beranek überzeugt. Entsprechend vielseitig liest sich Projektils Portfolio. Von der beleuchteten Taminaschlucht im Rahmen der Light Ragaz über Corporate Events bis hin zu interaktiven Ausstellungsstücken lassen sich darin viele bekannte Orte und namhafte Marken finden.
Die Erfolgsgeschichte von Projektil startete 2010. Heute kreiert ein achtköpfiges Team einzigartige Lichterlebnisse: «Es ist eine sehr präzise Arbeit und immer spezifisch an den Ort, eine Architektur und seine Geschichte angepasst», erzählt Beranek. Ähnlich wie bei einer Filmproduktion schreiben sie Scripts und Storyboards, recherchieren Ideen, designen, animieren und realisieren die Installationen vor Ort. Bei Eigenproduktionen übernehmen sie zudem das gesamte Projektmanagement und die Vermarktung.
Roman Beranek: Wir bringen Geschichten und Stimmungen ans Licht, die Leute berühren. Aus Licht entstehen Bilder, aus Bildern Geschichten und Geschichten lieben wir als Menschen. Licht transportiert Emotionen. Es ist ein sehr subtiles Kommunikationsmittel. Es trägt eine Magie ins sich, die uns erwärmt und mit Freude füllt. Oder in Schillers Worten: «Aber hat Natur uns viel entzogen, war die Kunst uns freundlich doch gewogen, unser Herz erwarmt an ihrem Licht.» (von Friedrich Schiller, «An die Freunde»).
RB: Licht in Kombination mit Musik und Technologie ist eine eigene, neue Form der Kunst. Sie verzaubert und kann eine Person einlullen. So kann der Mensch für einen kurzen Moment aus seinem Alltag entspringen und einen Moment der Ruhe, Meditation oder einfach auch der Unterhaltung erleben. In unserem Fall geht es auch noch um Technologie und was mit ihr heute machbar ist. Es ist eine sehr präzise Arbeit und immer spezifisch an den Ort, seine Architektur und seine Geschichte angepasst.
RB: Für Private wird meistens deren Identität und Kernbotschaft inszeniert. Bei Kulturveranstaltungen geht es vor allem um Storytelling oder Vermittlung eines Gefühls, eines Zustandes, einer Stimmung. Die Herangehensweise ist jedoch ähnlich.
RB: Es beginnt mit der richtigen Location. Danach ist es ein kreativer Prozess, wie man ihn aus der Filmproduktion kennt. Idee, Recherche, Script, Storyboard und Produktion. Zudem kommt in unseren eigenen Projekten das Marketing und das Projektmanagement hinzu.
RB: Da hilft nur gute Planung und viel Erfahrung. Wir setzen so früh wie möglich grobe Richtlinien und Deadlines, die man dann — je näher der Event rückt — verfeinert, optimiert und schliesslich perfektioniert.
RB: Absolut! Gerade an der letzten Frankfurter Buchmesse haben wir einen interaktiven Buchstand für den Verlag Kein & Aber kreiert. Videomapping lässt sich in ganz vielen Bereichen zur Kommunikation, Unterhaltung oder Kunst anwenden. Beispielsweise in Showrooms, für Architekturmodelle, Guerilla-Werbung, konventionelle Beleuchtung der Architektur, Erlebniswelten, Kundenanlässe, Edutainment und Infotainment in Museen, an Bahnhöfen, Flughäfen, Festivals, Konzerten und so weiter.
RB: Die 3D-Mapping-Technologie ist noch relativ jung. Daher hat man zuerst einfach die Technologie als Effekt-Sammelsurium verwendet. Es war für viele Leute neu und daher allein so schon faszinierend. Nun hat man es bereits einige Male gesehen und das Storytelling und die technischen Möglichkeiten entwickeln sich weiter. Das lässt sich mit der Entwicklung des Films vergleichen: Einer der ersten Filme war eine Zugfahrt – einfach wie der Zug fährt. Das war total überwältigend für alle Leute, die noch nie in einem Zug waren. Heute gibt es alle möglichen Arten von Filmen. So wird sich das auch im Mapping entwickeln. Bei Real-Time-Animation spielt ausserdem die Interaktion eine essenzielle Rolle. Sie muss möglichst einfach sein, so dass sie jeder sofort versteht. Diese Möglichkeiten ändern sich mit der Errungenschaft neuer Technologien. Das wird für uns weiterhin ein spannendes Thema bleiben.
RB: Ich bin mit meiner Arbeit am Puls der Zeit und interessiere mich sehr für neue Technologien. Aber auch konventionelle Geschichten, Filme, Kunst, Fotografie, Design, Mode, Musik und Theater inspirieren mich.
RB: Unsere Kirchenshow Genesis ist mein Favorit. Die Show ist spirituell, ohne jemandem etwas aufzwingen zu wollen. Man verliert sich für kurze Zeit im Moment und der Ästhetik. Es ist eine Art Digitalisierung des Betens ohne irgendeine Institution oder einen Glauben in den Vordergrund zu stellen. Aber auch unser Projekt im Attisholz-Areal: «Illuminated Art Attisholz» ist super gelungen. Die Grösse und der Ort machen diese Show zu einem richtigen Erlebnis. Es ist beeindruckend, solche Bilder in dieser Grösse zu sehen. Diese Weite gibt Platz im Kopf und die Bilder inspirieren noch dazu.