Zuversichtlich nach vorne blicken

Portrait von Christoph Kamber Praesident Expo Event Swiss LiveCom Association

Interview mit Christoph Kamber

Präsident von EXPO EVENT Swiss LiveCom Association

Christoph Kamber vertrat während der Corona-Pandemie als Präsident des Branchenverbandes EXPO EVENT Swiss LiveCom Association die Anliegen der Verbandsmitglieder gegenüber der Politik und den Medien. Im Interview erzählt er von den Herausforderungen der letzten Jahre und jenen, die die Zukunft bereithält.

Christoph, wie beschreibst du die letzten zwei Jahre als Präsident von EXPO EVENT, die in die wohl grösste Krise der Veranstaltungsbranche gefallen sind?

Kurz und prägnant: anspruchsvoll und zeitaufwendig, aber unheimlich lehrreich und verbunden mit vielen neuen Erkenntnissen. Unsere Branche wurde in den vergangenen zwei Jahren durch die Covid-Pandemie auf eine noch nie dagewesene Probe gestellt. Die Auswirkungen sind nach wie vor erheblich, der Grossteil unserer Mitglieder blickt unterdessen aber mit Zuversicht nach vorne. Die Stimmung ist sicher wieder viel besser als während der Pandemie, als sich unsere Branche mehrheitlich im Stillstand befand. Wir kämpfen immer noch mit den Nachwehen der Corona-Pandemie und dem Fachkräftemangel. Neu dazu kommen nun auch noch der Ukraine-Konflikt und die damit einhergehende Energiekrise sowie Rohstoffe, die sich massiv verteuert haben. Insgesamt ist die Situation also doch recht herausfordernd.

Was waren die grössten Herausforderungen für dich in dieser Krise? Du bist ja nicht nur Präsident von EXPO EVENT, sondern selbst Mitinhaber einer Eventagentur.

Mein Geschäftspartner und ich haben wohl im unglücklichsten Moment unsere Agentur gegründet. Operativ haben wir am 01.01.2020 gestartet – rund drei Monate später waren wir zum Nichtstun verdammt. Der sorgfältig ausgearbeitete Businessplan war Makulatur und zu Beginn waren wir doch recht ratlos.  Damals konnte niemand abschätzen, wie lange die Krise anhalten würde – drei Monate, sechs Monate oder gar noch länger? Am Ende waren es über zwei Jahre.

Als Start-up sind wir in eine Lücke gefallen und konnten weder von Kurzarbeitsentschädigungen noch von Härtefallgeldern profitieren, sondern mussten unsere laufenden Aufwendungen selber berappen. Das mühsamste war die Ungewissheit und die fehlenden Planungsgrundlagen. Nichts war klar und die Nachfrage am Markt gleich null. Somit sind wir zwangsläufig in die Veranstalterrolle gedrängt worden, mehr, als das wir uns das gewünscht hätten. Aber auch hier haben wir positive Erfahrungen machen und neue Geschäftsbeziehungen knüpfen dürfen.

Portrait von Christoph Kamber Praesident Expo Event Swiss LiveCom Association
Christoph Kamber, Präsident von EXPO EVENT Swiss LiveCom Association

«In einer Krise muss man standhaft sein und in den sauren Apfel beissen.»

Ist es dir nicht manchmal zu viel geworden, sodass du am liebsten alles hingeworfen hättest? Was hat dich angetrieben, weiterzumachen?

Alles hinwerfen ist nicht so mein Ding. Gerade für das Amt als Präsident des Verbandes habe ich viele Monate zuvor schon zugesagt. Da kann man bei Gegenwind nicht einfach den Schwanz einziehen und sich vom Acker machen. In einer Krise muss man standhaft sein und in den sauren Apfel beissen. Viele Mitglieder haben es sehr geschätzt, dass wir uns für die Branche vehement eingesetzt haben – und sie haben darüber hinaus den Wert einer Verbandsmitgliedschaft entdeckt. Plötzlich hat man eine Anlaufstelle und ist mit seinen tausend Fragen nicht mehr allein. Der Zuwachs an Mitgliedern in der Krise spricht da Bände.

Welche neuen Kontakte entstanden durch das Engagement während der Pandemie und welchen Einfluss hatte dies auf die Arbeit im Verband?

Wir haben zu Beginn der Krise erst richtig gemerkt, wie viele verschiedene Verbände und Organisationen es effektiv gibt. Jeder einzelne Verband war zu klein und zu schwach, um sich in der Kakofonie einer Krise Gehör zu verschaffen. Daraufhin hat der EXPO-EVENT-Verband die wichtigsten Verbände der Veranstaltungsindustrie zusammen an einen Tisch gebracht. Die Allianz der Veranstaltungsverbände wurde zum Zweck gegründet, die Interessen der Gesamtbranche zu bündeln und gegen aussen, sowohl gegenüber den Behörden, der Politik und auch den Medien, zu vertreten. Zwar haben wir nicht immer die genau gleichen Interessen, aber wir haben immer einen gemeinsamen Nenner gefunden. Der lose Verbund besteht noch immer und wir tauschen uns regelmässig zu aktuellen Themen aus.

Portrait von Christoph Kamber Praesident Expo Event Swiss LiveCom Association
Christoph Kamber, Präsident von EXPO EVENT Swiss LiveCom Association

«Oft wurden unsere speziellen Produktionsbedingungen nicht verstanden und wir wurden teilweise mit absurden Auflagen belegt.»

Wie kamen die Kontakte in die Politik zustande und was hat dich im Kontakt mit Exponenten der Politik am meisten überrascht?

Nachdem wir unser Versäumnis der Vergangenheit, das fehlende Netzwerk, verstanden haben, haben wir die Kontakte in die Politik aktiv gesucht. Einerseits haben wir zusammen mit Künstlern während der Session in Bern eine Veranstaltung organisiert, bei welcher wir die Räte zum Zmittag eingeladen haben und gleichzeitig auf unsere Situation aufmerksam gemacht haben. Wir haben festgestellt, dass es in der Politik und den Verwaltungen in erster Linie darum geht, Verständnis für unsere Prozesse und Herausforderungen schaffen zu müssen. Oft wurden unsere speziellen Produktionsbedingungen (Planungszeit, nötiger Vorlauf, unterschiedliche Eventformate etc.) nicht verstanden und wir wurden teilweise mit absurden Auflagen belegt. Hier setzten wir an und haben mittlerweile zusammen mit der Allianz der Veranstalterbranchenverbände in den letzten zwei Jahren viel Goodwill geschaffen und können nun mit der Behörde auf Augenhöhe diskutieren. Dabei setzen wir auf ein konstruktives Miteinander.

Überrascht haben mich persönlich die parteipolitischen Querelen, wobei es oft nicht um die Sache ging, sondern darum, welche Partei den Antrag eingebracht hatte. Ein Learning für mich – aber das ist Politik.

EXPO EVENT hat der Branche und ihren Anliegen während Corona zu mehr Sichtbarkeit verholfen. Welche Vorteile erhoffst du dir langfristig davon?

EXPO EVENT will sich als nationaler Branchenverband etablieren und mit den Behörden und den Räten im Bedarfsfall am Tisch verhandeln. Das gelingt nur, wenn man genügend Mitglieder und Allianzen hat. Ein Verband braucht die nötige Relevanz und muss sich aktiv um die Sichtbarkeit kümmern. Da ist es wichtig, die verfügbaren Instrumente sowie die richtigen Ansprechpersonen zu kennen und den richtigen Mix der Botschaften zu orchestrieren. Das ist harte, aufwendige Arbeit, zahlt sich aber aus.

Gibt es etwas, dass dich und deine Verbands-Teammitglieder besonders stolz macht?

Wir sind stolze Urheber:innen des sogenannten «Schutzschirm-Artikels», der im Covid-19-Gesetz verankert wurde. Auch wenn dem Artikel vom Ständerat ganz zum Schluss noch einige Zähne gezogen worden sind, kam der Schutzschirm bei einigen Veranstaltungen zum Tragen und hat die Veranstalter:innen vor dem Ruin bewahrt. Für einen verhältnismässig kleinen Verband eine tolle Leistung.

Ebenso dürfen wir für uns in Anspruch nehmen, dass wir es geschafft haben, in kurzer Zeit ein gutes, professionelles Krisenmanagement aufzubauen. Wir durften vielen Mitgliedern während der Krise zur Seite stehen und haben mit einigen direkten Interventionen negative Entscheide umstossen oder schlecht formulierte Verordnungen umkehren können. Das hat der Verband richtig gut gemacht.

Wie erlebst du die Stimmung der Verbandsmitglieder untereinander? Was hat sich seit der Pandemie verändert? Was blieb gleich?

Man ist in der Krise zusammengerückt und hat verstanden, wie wichtig ein Verband sein kann. Zahlreiche neue Mitglieder haben sich trotz Krise entschlossen, sich uns anzuschliessen. Der Verband hatte während der schlimmsten Zeit viele Gespräche mit Mitgliedern geführt, rechtlichen Rat gegeben und auch viele Interviewanfragen von Medien vermittelt. Natürlich hatte man während dem Lockdown auch Zeit, sich mit den Kollegen auszutauschen. Das hat mittlerweile, aus nachvollziehbaren Gründen, wieder abgenommen. Der Wert dieser Branchenbeziehungen ist aber erkannt und unbestritten und ich glaube auch, dass diese Beziehungen auch langfristig weitergeführt werden. Am Ende des Tages sind die verschiedenen Anbieter auch Konkurrenten. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern.

Portrait von Christoph Kamber Praesident Expo Event Swiss LiveCom Association
Christoph Kamber, Präsident von EXPO EVENT Swiss LiveCom Association

«Eine aktuelle Studie aus Deutschland prophezeit, dass der klassische Pitch in den kommenden Jahren weniger wird.»

Wird unsere Branche noch im gleichen Umfang pitchen wie vor Corona?

Eine aktuelle Studie aus Deutschland prophezeit, dass der klassische Pitch in den kommenden Jahren weniger wird. Einerseits sind die Kapazitäten am Markt reduziert, die Auftragsbücher teilweise voll und somit ist auch die Lust der Unternehmen am (unbezahlten) Pitch überschaubar. Wir bewegen uns aber nach wie vor in volatilen Zeiten. Viele Aufträge werden sehr kurzfristig vergeben. Der Markt ist lange nicht so stabil und berechenbar wie vor der Krise. Wie sich das schlussendlich auf das Pitchen auswirken wird, werden wir sehen.

Fehlendes Personal ist zurzeit ebenfalls ein grosses Thema. Hat die Branche ein Attraktivitätsproblem? Wie kann die Branche für Talente attraktiver werden?

Ich glaube, dass die Veranstaltungsbranche per se attraktiv ist. Wir sind die, die bei den tollsten Events hinter der Bühne dabei sind und es möglich gemacht haben. Das begeistert viele, auch in der jüngeren Genration. Natürlich gehören anspruchsvolle Arbeitszeiten dazu und auch die finanziellen Entschädigungen sind nicht mit der Banken- oder Versicherungsbranche zu vergleichen. Dafür bieten wir aber einen sinnvollen, interessanten und abwechslungsreichen Job.

Wichtig für unsere Branche wird sein, dass wir auch jungen Berufseinsteigern Perspektiven bieten können. Einerseits ist die Arbeitsplatzsicherheit ein Thema, aber auch die Möglichkeiten sich innerhalb der Branche weiterzubilden und weiterzukommen. Der Verband hat jüngst eine eigenen Weiterbildungs-CAS mit der Hochschule Luzern entwickelt, welcher nun lanciert wird. In Kombination mit anderen CAS-Modulen kann hier die Masterstufe erreicht werden. Wir brauchen noch mehr davon.

Ebenso haben wir zusammen mit dem Schweizer Verband technischer Bühnenbauer und dem Schweizerischen Bühnenverband die Initiative «GoBackstage» initiiert. Die Initiative zeigt jungen Menschen, warum sich der Einstieg in die Veranstaltungsbranche mehr denn je lohnt, und den Veranstaltern, warum sie besser heute als morgen investieren sollten.

Portrait von Christoph Kamber Praesident Expo Event Swiss LiveCom Association
Christoph Kamber, Präsident von EXPO EVENT Swiss LiveCom Association

«Die Nachhaltigkeit von Veranstaltungen ist in der heutigen Event-, Messe- und Veranstaltungsbranche zu einem wesentlichen Erfolgsfaktor und Selektionskriterium geworden.»

Welche anderen Anliegen stehen aktuell zuoberst auf eurer Prioritätenliste?

Die Förderung der Nachhaltigkeit im Veranstaltungsbusiness, die Thematik Fachkräftemangel und aktuell natürlich auch die gestiegenen Rohstoffpreise und die damit einhergehenden Herausforderungen mit den Produktionsbudgets. Ebenso Sorgenfalten bereiten uns die Energiekrise und die Ankündigungen, dass im Winter allenfalls die Stromversorgung unterbrochen werden könnte – ich gehe davon aus, dass uns auch das stark betreffen könnte.

Wie kann der Verband seine Mitglieder bei diesen Herausforderungen unterstützen?

Das Interesse unserer Mitglieder am Thema Nachhaltigkeit ist absolut vorhanden. Die Nachhaltigkeit von Veranstaltungen ist in der heutigen Event-, Messe- und Veranstaltungsbranche zu einem wesentlichen Erfolgsfaktor und Selektionskriterium geworden. Der EXPO-EVENT-Verband bietet seinen Mitgliedern sowie weiteren Branchenvertreter:innen deshalb seit 2021 eine Zertifizierung auf Grundlage der ISO-Norm 20121 – Event Sustainability Management Systems an. Das verschafft den Unternehmen eine grosse Glaubwürdigkeit und sichert auch Aufträge bei Kund:innen, die diese Standards voraussetzen.

Beim Fachkräftemangel sind wir angehalten, verlorene Fachkräfte zurückzugewinnen oder neue zu rekrutieren. Das ist in erster Linie eine Aufgabe der Unternehmer:innen selbst. Wir unterstützen sie deshalb mit «Best Practice»-Beispielen für moderne Arbeitsbedingungen und intelligente Kompensationsmöglichkeiten, die mit unserem Business vereinbar sind. Recht anspruchsvoll, aber eben dringend notwendig.

Bei den gestiegenen Rohstoffpreisen und der damit einhergehenden Verteuerung der Produktionen versuchen wir, die Öffentlichkeit mittels Medienarbeit zu sensibilisieren. Wichtig ist, dass unsere Mitglieder den Mut haben, die nötigen preislichen Anpassungen durchzusetzen, sodass die Margen, die für das Überleben der Betriebe notwendig sind, erreicht werden können.

Bezüglich der Energiekrise werden wir zu gegebener Zeit mit den Behörden mögliche Auswirkungen auf unser Business erörtern. Wir werden die Herausforderungen unserer Branche bei den Behörden darlegen, sodass sie diese wo möglich berücksichtigen können. Uns geht die Arbeit noch lange nicht aus!

Portrait von Christoph Kamber Praesident Expo Event Swiss LiveCom Association
Christoph Kamber, Präsident von EXPO EVENT Swiss LiveCom Association

«Ich glaube an ein starkes Revival aller Live-Formate und ein verändertes Bewusstsein der Gesellschaft.»

Wie siehst du die Zukunft von Live-Formaten wie Messen und Events?

Wie man so schön sagt, heisst es ja, dass jede Krise auch eine Chance ist. Oft vermisst man Dinge erst, wenn sie nicht mehr verfügbar sind – das haben wir nun erlebt. Vor der Pandemie wurden Live-Formate oft auch als zu teuer, überholt und ineffizient betitelt. Die Krise hat uns aufgezeigt, wie wichtig der echte Live-Kontakt ist und dass er eben nicht einfach so digital ersetzt werden kann. Der Mensch bleibt analog, ist ein soziales Wesen und hat das Bedürfnis, sich in Echt zu treffen. Ich glaube an ein starkes Revival aller Live-Formate und ein verändertes Bewusstsein der Gesellschaft. Die Formate werden sich verändern und den neuen Bedürfnissen anpassen müssen – aber das war schon immer so. Die digitale Begleitung von Live-Events wird an Qualität und Effizienz gewinnen. Hier hat es noch viel Potenzial und ich bin überzeugt, dass dieses erkannt worden ist und nun auch entsprechend umgesetzt wird.

Welche Rolle werden dabei digitale und hybride Formate spielen?

Ich persönlich glaube, dass einige Formate durchaus auch in «normalen» Umständen in Zukunft digital oder auch hybrid durchgeführt werden. In der Krise wurde die Industrie quasi gezwungen, Formate entweder digital oder gar nicht durchzuführen. Das hat der Branche viel Erfahrung gebracht und die Formate haben einen grossen Entwicklungsschub erfahren. Gleichzeitig bin ich mir aber ziemlich sicher, dass die Live-Kommunikation, also die klassischen Formate nicht verschwinden werden, im Gegenteil, sie werden zunehmen, da der Austausch live nicht einfach so ersetzt werden kann.

In zehn Jahren wird die Veranstaltungsindustrie in der Schweiz …

… immer noch tolle Live-Kommunikationsprojekte durchführen, da das Bedürfnis nach echten Kontakten in einer digitalisierten Welt eher zu- als abnehmen wird.

Danke für das Gespräch!

Über die EXPO EVENT Swiss LiveCom Association

Die EXPO EVENT Swiss LiveCom Association setzt sich als nationaler Verband für die Anliegen der Live-Communication-Branche ein. Der Branchenverband ist 2009 aus der Fusion der Vereinigung Messen Schweiz (VMS) und der EXPO EVENT Swiss Association entstanden. Mit Messen, Suppliern und Agenturen sind alle Anbieter:innen der Eventwelt in einem Dachverband vereint. Dadurch ist EXPO EVENT heute das Sprachrohr der LiveCom-Branche. Das Ziel des Verbands ist es, die Anliegen der Mitglieder gegenüber Behörden und der breiten Öffentlichkeit zu vertreten und mit regelmässigen Events und Workshops die Mitglieder stärker zu vernetzen sowie neue Trends der Branche aufzuzeigen.

Logo des Branchenverbandes Expo Event Swiss LiveCom Association

Zusammen mit zehn weiteren Verbänden wie wie Gastro-Suisse oder dem SGV lancierte EXPO EVENT die Volksinitiative «Für eine geregelte Entschädigung im Epidemiefall» und sammelt aktuell Unterschriften dafür.
Anzeige für die Entschädigungsinitiative des Expo-Event-Verbandes