Lauter Nullen und Einsen

Von Sarah Albertani und Mirjam Dietrich

2016 öffnete das Zürcher Museum of Digital Art – kurz MuDA – seine Türen. Als eines der ersten physischen und virtuellen Museen sorgte es weltweit für Gesprächsstoff. Heute hat sich das MuDA als Schnittstelle zwischen Kreativität und Technologie etabliert. Und schafft Raum für die kritische Auseinandersetzung mit den Fragen, die die Digitalisierung aufwirft.

Das MuDA ist ein Ort der Gegensätze: Hier prallen Tradition und Moderne, Mensch und Maschine, Kunst und Technik aufeinander. Den Initianten und Leitern des Museums, Caroline Hirt und Christian Etter, ist es gelungen, in diesem Spannungsfeld einen einzigartigen Begegnungsort für Kunst, Kultur und die Fragen unserer modernen Zeit zu schaffen.

Mit der Gründung des Museums gaben sie der digitalen Kunst ein Zuhause. Ein Zuhause, das Etter in der Kunstszene vermisst hatte. Selbst im mondänen London fristete die digitale Kunst vor rund zehn Jahren ein Nischendasein. Doch statt Beschwerdebriefe an Museen zu schicken, nahm er das Ruder lieber selbst in die Hand.

Denkmalschutz trifft auf Crowdfunding

Als der Migros-Genossenschafts-Bund neue Mieter für das Herdern-Hochhaus in Zürich West suchte, hatten Caroline Hirt und Christian Etter den perfekten Standort für ihr Museum gefunden. «Für uns war es fast schon eine natürliche Entscheidung. Zürich bringt die drei wichtigsten Faktoren digitaler Kunst zusammen: Technologie, Kunst und Wissenschaft», berichtet Hirt. Zürich habe eine sich stark entwickelnde Industrie in vielen Bereichen und ziehe Menschen verschiedener Kulturen, Altersgruppen und Interessen an. Genau das breitgefächerte Publikum, das die Co-Gründer des MuDA suchten.

Doch das denkmalgeschützte Gebäude hatte seine Tücken. Erforderliche Umbauten und das Einholen der benötigten Bewilligungen erforderten viel Zeit: Statt der geplanten drei Monate dauerte der ganze Prozess über ein Jahr. Diese Verzögerungen nagten an den Finanzen. Statt aufzugeben, wendeten sich die beiden Gründer an die digitale Community. Auf Kickstarter, einer Plattform für Crowdfunding‑Projekte, lancierten sie ihre Kampagne. Viele Überzeugte und Unterstützer des Projekts griffen den beiden mit Spenden unter die Arme. In nur einem Monat sammelten sie 111 111 Franken. Dem Umbau des 400 Quadratmeter grossen Parterreraums im Kreis 5 stand somit nichts mehr im Weg. Und das MuDA öffnete im Februar 2016 seine Türen.

Wenn Technik Kunst kuratiert

Seither zeigt das MuDA jährlich drei Ausstellungen, in denen jeweils ein Künstler oder ein Künstler-Kollektiv präsentiert wird. Kuratiert werden die Ausstellungen von Hal 101. Das ist nicht etwa der exzentrische Künstlername eines Kunstexperten, sondern die Bezeichnung für einen eigens entwickelten Algorithmus. Unermüdlich durchsucht er das Internet nach Datenmustern von Künstlern. Diese vergleicht er mit bisher ausgestellten Künstlern und fällt so seine Entscheidungen. Mit diesem Vorgehen will das MuDA erreichen, dass Nationalität, Alter, Geschlecht oder finanzielle Faktoren nicht in den Entscheidungsprozess einfliessen.

Doch was fällt eigentlich alles in die Kategorie der digitalen Kunst? Konkret spricht man von digitaler Kunst, wenn sie durch Programmieren entstanden ist. Der Künstler – hierbei ein Programmierer – erzeugt aus Zahlen Kunst. Virtuelle Kunst soll ein oder mehrere Sinnesorgane gleichzeitig ansprechen. Dabei spielen Monitore, Lautsprecher, aber auch Lichtinstallationen, Räume, Stimmen oder Personen eine zentrale Rolle. Das Ziel ist, «mit dem Kunstwerk ein komplexes Netz und eine künstliche Welt zu bilden» und «sein Verhältnis zum Internet, zum Rechner und zum eigenen Nervensystem zu überdenken».

Mensch und Digitalisierung – eine Beziehung mit Wechselwirkungen

Kunst soll zum Nachdenken anregen. Das gilt auch für digitale Kunst. Darüber ist man sich im MuDA einig. Das Museum belässt es allerdings nicht bei wechselnden Ausstellungen und einer stetig wachsenden virtuellen Sammlung. Da der Mensch zunehmend von Nullen und Einsen beherrscht wird, glauben die MuDA-Gründer fest daran, dass solche grundlegenden Umwälzungen beobachtet und hinterfragt werden müssen. Regelmässig finden daher im Museum Veranstaltungen statt, die sich mit den komplexen Auswirkungen der Technik auf unser Leben auseinandersetzen. Auch heikle Themen wie die Sicherheit und Privatsphäre im Netz oder die künstliche Intelligenz werden dort angesprochen.

Ausserdem organisiert das Museum Workshops für Kinder, um diesen «das Herz zu zeigen, das im Innern von Maschinen schlägt» und um den Mechanismus dahinter transparenter zu machen. Damit wollen sie sowohl Experten als auch Laien erreichen und vor allem auch Frauen und Kinder dazu bringen, sich für Technik und das Programmieren zu interessieren.

Lesen Sie im Interview auf unserem Blog, was Caroline Hirt und Christian Etter zum Thema digitale Kunst zu sagen haben.